Vorbeugender Hochwasserschutz
Zunehmende Starkregenereignisse mit zum Teil katastrophalen Folgen wie in Simbach im Jahr 2016 verdeutlichen die hohe Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, insbesondere auch durch Wasserrückhalt bzw. einen gebremsten Wasserabfluss und die Erhöhung der Infiltrationsrate in der Fläche. Sie veranschaulichen ebenfalls, wie wichtig der Erosionsschutz heutzutage auf landwirtschaftlichen Flächen ist. Das Starkregenereignis in Simbach hat weiter gezeigt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit dem Überlastfall (Extremereignisse, auf die Hochwasserschutzanlagen nicht ausgelegt sind) und damit auch die Abkehr vom reinen Hochwasserschutz hin zum Hochwasserrisikomanagement ist.
Maßnahmenpaket „Vorbeugender Hochwasserschutz durch Wasserrückhalt in der Fläche“
Das Maßnahmenpaket des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) lässt sich in folgende Maßnahmengruppen zusammenfassen:
- Vermeidung von schnellem Abfluss des Oberflächenwassers,
- Wasserablaufverzögerung in Gräben und Tieflinien,
- Verzögerung des Abflusses von Bodenwasser,
- Erhalt und Sicherung bis hin zur Wiedervernässung von Mooren,
- Schaffung gewässerbegleitender Retentionsflächen,
- Schaffung von Retentions- bzw. Sedimentationsflächen für wild abfließendes Wasser- und Bodenmaterial in der landwirtschaftlichen Flur,
- Erhöhung der Infiltrationsrate und Vermeidung von Verdichtungen auf Ackerflächen,
- Hochwasserrückhaltung durch waldbauliche Maßnahmen.
Diese Maßnahmen können in Verfahren der Ländlichen Entwicklung, bei waldbaulichen Maßnahmen und im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogrammes bzw. Bayerischen Vertragsnaturschutzprogrammes gefördert und umgesetzt werden. Auch die pflanzenbauliche Beratung zusammen mit den Verbundpartnern leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.
Die Flurneuordnung wird gezielt eingesetzt, um Rückhaltekonzepte in einem größeren Umfang in Zusammenarbeit mit der Wasserwirtschaftsverwaltung und den Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern zu realisieren. Als wichtiger Baustein der Hochwasserschutzstrategie der Bayerischen Staatsregierung besteht eine Förderung zum Wasserrückhalt in der Fläche und für Gewässer dritter Ordnung. Dort, wo die Kommunen für den Ausbau und die Unterhaltung an Gewässern zuständig sind, fördert der Freistaat Bayern vertreten durch die Wasserwirtschaftsverwaltung Projekte des Hochwasserschutzes sowie der Gewässerrenaturierung im Rahmen der Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas). Der Schwerpunkt des Beitrags der Ländlichen Entwicklung liegt im Einsatz eines flächendeckenden Flächenmanagements (Landzwischenerwerb und gezielte Bodenordnung) sowie in der Finanzierung von naturnahen Maßnahmen im Umfeld der Gewässer dritter Ordnung und der dezentralen Wasserrückhaltung in der Fläche. Auch die Initiative boden:ständig leistet hierzu wirksame Beiträge.
Auch stabile, naturnahe Mischwälder tragen zu einem wirksamen Hochwasserschutz bei. Der oberflächliche Wasserablauf ist geringer und erfolgt langsamer als bei anderen Landnutzungsformen. Waldböden speichern in hohem Maße Niederschläge an Ort und Stelle. Waldbäche sind in der Regel nicht begradigt und fließen sehr langsam. Bach- und flussbegleitende Auwälder ertragen nicht nur problemlos auch längere Überschwemmungen und sorgen wie ein Zwischenspeicher für einen langsamen Abfluss, sondern weisen besonders in der Hartholz-Aue auch einen guten Zuwachs an wertvollem Holz auf. Da bei Hochwasser keine oder nur geringe wirtschaftliche Schäden entstehen, sind standortgemäße Auwälder eine landeskulturelle, ökonomische und ökologisch ideale Form der Landnutzung in Überschwemmungsbereichen.
Wichtige Maßnahmen zum Erhalt oder Ausbau dieser Schutzfunktionen sind z. B.
- die Waldmehrung, v. a. in gering bewaldeten Regionen und Überflutungsbereichen,
- die Erhaltung der Waldfläche allgemein,
- der Umbau von Nadelbaum-Reinbeständen in stabile, naturnahe und klimatolerantere Mischwälder,
- die Schutzwaldpflege und -sanierung im Hochgebirge,
- im Staatswald die Revitalisierung von Auwäldern, Renaturierung von Mooren sowie Anlage von Tümpeln und Feuchtbiotopen.
Im Berichtszeitraum wurde die Umsetzung der im Klimaschutzprogramm Bayern 2050 vorgesehenen Maßnahmen zum verstärkten Waldumbau (Ziel: 100 000 ha bis 2020, 200 000 ha bis 2030) und zur Stabilisierung des Bergwaldes (Bergwaldoffensive) weitergeführt und in den ostbayerischen Mittelgebirgen ausgeweitet (Waldinitiative Ostbayern). Beide kommen unmittelbar auch dem Hochwasserschutz zugute.
Ferner beraten die Forstbehörden die Waldbesitzer in überschwemmungsgefährdeten Gebieten, wie sie sich vor Schäden schützen, den Lebensraum Auwald erhalten und zum Hochwasserschutz der Unterlieger beitragen können. Hierzu wurden Beratungs- und Informationsgrundlagen erarbeitet.
Nachhaltiger Hochwasserschutz
Die Hochwasserereignisse der vergangenen Jahre haben deutlich gezeigt, dass sich der von der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung geplante und ausgeführte Hochwasserschutz bewährt hat, aber auch langfristig konsequent fortgesetzt werden muss.
Nach katastrophalen Überflutungen im Jahr 2013 hat die Staatsregierung beschlossen, die Anstrengungen im Hochwasserschutz weiter zu forcieren und den Schutz der Menschen und Gütern in Bayern vor den Naturgewalten noch schneller zu verbessern. Die bewährte bayerische Hochwasserschutzstrategie aus dem Jahr 2000 wurde zu einem Aktionsprogramm Hochwasserschutz 2020plus (AP 2020plus) erweitert und neu ausgerichtet. Die Widerstandsfähigkeit der Hochwasserschutzanlagen gegen Extremereignisse wird erhöht und systemrelevante Deiche sollen grundsätzlich mit Dichtwänden nachgerüstet werden. Wo möglich und sinnvoll, sollen sie auch auf Überströmung ausgelegt und dafür statisch ausreichend bemessen werden. Weiterhin werden intensive Restrisikobetrachtungen angestellt und auch das Rückhaltekonzept überarbeitet. Ein bayernweites System gesteuerter Flutpolder soll bei Hochwasserereignissen, bei denen eine Überlastung von Hochwasserschutzanlagen zu erwarten ist, Handlungsoptionen bieten und den Schaden begrenzen. Das Ende des Jahres 2020 auslaufende AP 2020plus wird ab dem Jahr 2021 als Säule 1 des Bayerischen Gewässeraktionsprogrammes 2030 (BAP2030) fortgeschrieben und fortgeführt.
Die Interessen der Landwirte und Waldbesitzer wurden bislang durch die im Jahr 2013 an den Regierungen eingerichteten „Gruppe Landwirtschaft und Forsten – Hochwasserschutz“ (GLF) kompetent in den Planungsprozess und bei der Umsetzung der konkreten Maßnahmen eingebracht. Seit Ende 2018 wurde dieser Bereich verstetigt durch Bildung eines neuen Bereichs 6 – Landwirtschaft und Ernährung an den Regierungen. Die bisherigen Aufgaben der GLF und weitere werden nun vom Sachgebiet 60 – Agrarstruktur und Umweltbelange in der Landwirtschaft wahrgenommen.